freistil aus Wien über unsere neuen Veröffentlichungen

MARKUS TÜRK
türk
Umland
Markus Türk (tp, flh, horn, tb, tuba, g, b, didgeridoo, berimau, voc, dr, perc)

Das Instrumentarium verblüfft natürlich. Was da Markus Türk im Alleingang alles bewältigt, ist erstaunlich. Ein schwebender Soundteppich wird da gewoben, eine von Trompete, Flügelhorn, Posaune oder Tuba angeführte, mit Gitarre und Perkussionsclustern unterlegte sanfte Melodie schält sich da jeweils langsam heraus, verdichtet sich zu einem träumerischen Potpourri, auf dem sich die vielen Andeutungen, Anspielungen wie selbstverständlich zu einem klaren Ziel hin verdichten. Dass auch das Ziel, die Pointe, wenn man so will, nur angedeutet wird, ist wohl Teil dieses musikalischen Vexierspiels. ‚Easy Listening‘ at its best, würde ich als Kurzformel der Türk-CD mitgeben. (ernst)

SCHROER / BEKTAS / NEBEL
exit
Umland
Oliver Schroer (p), Ahmet Bektas (oud), Johannes Nebel (b)
Die voll- und wohltönende Basis dieser Dreierbesetzung in ungewöhnlicher Aufstellung nimmt eine/n vom ersten Track weg mit auf eine Reise voller musikalischer Abenteuer. Man fühlt sich wie auf Rosen gebettet, der durch die Verwendung der Oud so orientalisch anmutende Sound verführt in sinnliche, Trance-ähnliche Stimmung. Es ist eine Mischung aus Eigenkompositionen und einem serbischen Traditional. Schroers Klavier schwebt dabei leichtfüßig über den Bass-und Oudlinien seiner Kollegen. Eine eingeschworene Gemeinschaft klingt so. Die Rollen werden immer wieder neu verteilt, jeder führt den Dreier einmal an, ist sich aber auch nicht zu schade, Basisarbeit zu leisten. Exit, das Debütalbum dieses Projekts, ist mehr als vielversprechend. Hoffentlich hört bald mehr von diesem Trio. (ernst)

HEINER RENNEBAUM DOPPELQUARTETT
bebop bizarre
Umland
Heiner Rennebaum (g), Jan Klare (sax, fl), Alex Morsey (b), Max Hilpert (dr), Julia Brüssel, Pauline Buss (v), Conrad Noll, Veit Steinmann (c)

Kopfmusik, die auch in die Beine geht. Das funktioniert auf dieser außergewöhnlichen Aufnahme wunderbar. Ein Doppelquartett, dessen Besetzung man nur versteht, die erst dann einen Sinn ergibt, wenn man die Intentionen und Ausführungen auch gehört hat. Die Streicher spielen sehr exakt, verschwurbeln nichts, produzieren keine Süßholzraspeleien. Das ist gut so! Sonst sind klare Konzepte und strenge Regeln wohl das Gerüst für das Gelingen dieser wahrlich nicht einfachen Kompositionen. Auch wenn es immer wieder schöne solistische Expressionen gibt (Jan Klare, Heiner Rennebaum, Alex Morsey), wird dem Gesamtklang der Band große Bedeutung zugemessen. Der Star ist das Doppelquartett, kein einzelner Musiker! Ich wünsche dieser CD viele aufmerksame Zuhörer*innen, sie verdient es wirklich! (ernst)

Reviews…. Nuee/ Rennebaum 2-4

http://www.nitestylez.de/2021/07/la-nuee-la-nuee-umland-records-048.html

http://www.nitestylez.de/2021/07/heiner-rennebaum-doppelquartett-bebop.html

Rigobert Dittmann – point of regerence:

LA NUÉE, das ist in Brüssel ein Saxofonquintett, geleitet von Johannes Eimermacher, mit dreifach Alto- (er, Audrey Lauro & Frans Van Isacker), Bariton- (Hanne De Bakker) und Tenorsax (Sylvain Debaisieux) und in Bands wie Bambeen Grey, Franco Saint De Bakker, Gabbro und Pentadox erwiesener Tüchtigkeit. Der 30-jährige Münsteraner hat, neben Mu­siken für Theater und Tanztheater, in Drehkopf mit Klarinette gejazzt oder in Katjas Zorn mit Gitarre gerockt, bevor er mit seinem Saxofon zugleich die Führung in Cashmetal (mit Jakob Warmenbol von Robbing Millions an den Drums) und La Nuée übernahm. Ersteres lebt vom Kontrast einer aufgewühlt freakrockenden Rhythmsection mit Eimermachers Gewaltfreiheit predigendem Alto, steht aber als Jazzcoretrio in noch viel größerem Wider­spruch zu La Nuées sublimem Dröhnminimalismus. Der steht dem von →Klaus Langs „Drei Almenden“ verblüffend nahe, auch ist La Nuée(Umland 48) mit ‚flottant‘, ‚L’éveil‘ und ‚le départ‘ ebenso dreigeteilt. Noch ruhiger fast und luftiger schwebt der Reedklang im Raum, in verhalten zirpenden und summenden Dauertönen, die in ihren drei Tonlagen zusammen­klingen, ganz unforciert und zeitvergessen fokusiert auf das nuancierte Unisono. Statt einer Wall of Sound sind das Klangschleier, ja weniger noch, die pure Luft ist getönt, ganz sacht klangfarbgetönt in mikrotonaler Harmonik, surrend und sirrend als in sich bebende Luftsäulen, als durchscheinende, nur im Mittelteil auch angerautere Wellen. Das fast halb­stündige ‚le départ‘ hebt an als bloßer Hauch und spuckiger Schaum, auch nach fünf Minuten noch pianopianissimo. In der neunten verrät João Lobo (der trommelnde Schatten des Pianisten Giovanni Di Domenico in MulaBanda, Oba Loba, Tetterapadequ…) seine bisher verborgene Präsenz, mit fragilem Tickeln, wuselnden Pfoten und zunehmend pochenden oder flickernden Schlägen. Zu aber weiterhin nur sanftem Surren, das sich nicht rocken lassen will, sondern in seiner Dröhnosphäre weiter träumt. Der perkussiven ‚Störung‘ geben die Reeds wirklich erst fünf Minuten vor dem Ende nach, aufquiekend unter dem donnergrollenden Andrang, der jedoch metalloid verdämmert, während der Bläserschwarm sich wieder in die Stille einrollt. [BA 111 rbd]

Das HEINER RENNEBAUM DOPPELQUARTETT bringt auf Bebop Bizarre (Umland 49) wieder den Zusammenklang eines Streicherquartetts – mit Julia Brüssel an der Violine, Viola und 2 Cellos – mit Rennebaums Gitarren, Jan Klare an Alto- & Sopranosax, Alex Mor­sey am Bass und Max Hilpert an Drums. Mir kann man dazu gern was von Akkord- & Slash-Chord-Zerlegungen, bitonalen Akkord-Attacken, Messiaen-Modus und polymetrischen Re­petitionen erzählen, dann muss ich nichts erfinden, was es nicht halb so gut trifft. Wie sich herbstlich angerautes Streicherfeeling bei ‚November‘ beißt mit Hilperts hastigem D’n’B-Drive und Klares euphorischem Soprano, das haben Hilpert & Rennebaum gemeinsam erfunden. ‚Dido’s Lament‘ in seiner bitteren Streicher- & Altowehmut, das ist natürlich Henry Purcells Werk. Wie sich die Gitarre mit Silberzunge und bluesigem Slide der schmerz­lichen Melodie annimmt, ist dagegen Rennebaums Beitrag, der Bass zupft pizzicato die Zeitebenen zusammen. ’20/20 Vision‘ setzt mit Cello die gefühlvolle Stimmung fort, akusti­sche Gitarre und die übrigen Strings fühlen mit, Hilpert zerlegt das jedoch mit metronomi­scher und flickernder Lakonie. Mit vom Bass aufgewühlten Altowellen kommt ein aufge­kratzterer Ton auf, den Klare auf die Spitze treibt. ‚Maximum‘ spielt danach, rhythmisch maximiert, Plinkplonk-Pingpong, mit Zahnradstakkato von Klare und wildem Bogengefecht zu rotierendem und knatterndem Trommelgewirbel. Aus Gitarre rückwärts und scharren­den Bogenstrichen schält sich ‚Kreisel‘ mit hymnischem und dynamischem Altosang zu Walking Bass und Dröhngitarre und macht sich locker mit twangendem Kontrabass zu flimmernder spanischer Gitarre und launigen Strings. Nach ebenso launigem Pizzicato­intro stimmt Rennebaum mit Wah-Wah, verzerrt und ringmoduliert das Titelstück an, Bass und Drums halten Kurs, Klare gibt dem mit Flöte eine vogelige Hermeto-Pascoal-Note. Streicheleinheiten von Bratsche und Cello und ein akutisch plinkender Gitarrenloop ver­breiten bei ‚Oder so‘ versonnene Wonne, die Klares Alto zu einem Minimal-Vamp der Strings tagträumerisch auskostet. Verweile doch, du bist soooo… [BA 111 rbd]