clone Rigobert Dittmann!
Umland Records (Essen)
Achim Zepezauer gibt mit seinem Kopffüßer-Artwork einen stupenden Blickfang für Von einem der viele(47), die 7-teilige Serie von Posaunensolos des mit Check Test Check und The Dorf als Umlandler und mit Matthias Muche als Bonecrusher bekannten MORITZ ANTHES. Wie die Oberlippentänze von bis zur Unterlippe in Bizarrerie stehenden Seltsamkeiten beschreiben? Zepezauers honorig barocke Achtender-Aliens bieten sich metaphorisch an, um das mopsige Staccato, das rahmsoßige Legato und den ganzen überblasenen Mampf ans Licht zu zerren. Mit all seinen pachydermen Krusten, Pfauenrädern, hornochsigen Blähungen, himmelschreienden Presswehen, seinem Schlabberlook, Moschusduft undDünnpfiff. Anthes platzt im Maschinenraum Essen der Dampf aus allen Nähten, mit mitreißendem Temperament queruliert er sprudelnden Überschuss. Als Spitzmaulnashorn nibbelt er einem ein Ohr ab und kaut und schlürft dran rum. UaUawawawaaa – Blechmanns Serenade wird zum cholerisch tobenden Protestlied, mit melancholischem Ausklang. All das zerrspiegelt sich in Remixen, die Julia Brüssel von ‚Tans‘, Korhan Erel von ‚Lof‘, Rasmus Nordholt-Frieling von ‚Hekk‘, Malte Hermsen von ‚Flatt‘, Zepezauer von ‚Studd‘ und Kai Niggemann bzw. Florian Zwissler von ‚Bien-Larm‘ & ‚Ate‘ angefertigt haben. Mit brodeligem Grummeln, sirrenden Kaskaden, Messingbeben, klackend akzentuierten Dröhnwellen, dumpfem Unterwasserbeat, so dass aus einem Unikum orchestrale und plurale Mutantenpower aufquillt. Rasantes Gezuckel verleugnet seine posaunistische Abkunft fast ganz, Shapeshifting erscheint als das neue Normal. Die Posaune geistert plattgewalzt quäkend zwischen Gezwitscher und Stadtverkehr, sie röhrt und wabert als Blechriss- und Mattglanzmultiple. Im Übermix implodiert sie zum bruitistisch spotzenden und pulsenden Phantom. Und findet sich zuletzt wieder als metalloide Klangmolekülkette, angeraut und wie mit Tabla rhythmisiert. Kein Wunder, dass es da die Zeitangaben völlig durcheinander haut. [BA 113 rbd]
Während Officer! für „Paragaphs and Principles“ den engagierten Cornelius Cardew aktualisierte, werkelte THE DORF für Protest Possible (50, auch als 100 x 12“ + 7“ + 12 p booklet special ed.) an einem Update von Protestliedern, um dem zynisch auf- & abgeklärten Zeitgeist Kontra zu bieten. Die Texte bezogen sie von der Frankfurter Dramatikerin Lisa Danulat, dem Musikjournalisten Wolf Kampmann, der Hörstück- & Klangcomicmacherin Natascha Gangl („Wendy Pferd Tod Mexico“, „Die Revanche der Schlangenfrau“), Jan Klares Bruder, dem Allroundautor Jörn Klare und der sozialistisch-feministischen Galionsfigur Laurie Penny. Sarkastische Prosecco, Pro Sieben, Protest-Rollenprosa wie siri sag mir mal: can self-love ensure my survival under capitalism? Selbst anagrammatisch muss das Selbst ständig es selbst sein. In rauem Weimar-Kabarett-Stil gekräht: Fünf Generationen in Zeitraffer – Siegfriedlinie, Barbarossa, Coca Cola, Venceremos, McDonald, Geiz ist geil, Playstation, Müllplatz Erde, Fake News, Bienen ausgesummt, demnächst Soylent Green? Wie einst der ‚Leib Christi‘ zergeht nun, werbespotspöttisch, ein ABC von Drugs auf den Zungen und zerlöchern jeden zusammenhängenden Gedanken. Peter Maffays Du bist alles, was ich habe auf der Welt ist liebessklavisch umgedichtet auf Alexaaa und Siri, mit Fuck You Scheiße-V-Effekt. Allerdings schert sich nur das jazzrockhymnisch getragene ‚Tyrannenlied‘ vom Menschenfänger mit seinen Kreuzreimstrophen anders als die übergescheite Prosa zuvor um Mitsingsimplizität. Doch gleich folgt wieder, sleazy oder staccato intoniert, ein rhetorischer Sermon über den monströsen Spätkapitalismus. Und eine Schland wird Schloch-gewitzte Karikatur von dir und mir als Fashion Rebel oder Couch Potato, mit Akkordeon und wie mit Zappaspirit gezappt. Gipfelnd im naseweisen Leer-und-Lauf-Drehwurm von ‚Sehn und Sucht‘ und vom Nicht-Weiter-Wissen, rotierend in gummizähen und behämmerten Blasen. Marie Daniels & Oona Kastner geben den reflexionsakrobatischen Lyrics dieses Agit-Musicals vereinten Biss. Klares elektroakustisch fetzende Blas-Streich-Bigband macht dem neo-royalen Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld mit einem Kaleidoskop hochkomplexer Arrangements und brillanter Sophistication nicht für möglich gehaltene Konkurrenz. Aber was könnte, was müsste, solange die Blitze, die die Menschenschänder beim Scheißen treffen, auf sich warten lassen, daraus folgen? A: Platinen löten, B: Drachen töten, C: Porno gucken, D: Aktien kaufen? Äh – – – Publikums-Joker? [BA 113 rbd]