http://www.nitestylez.de/2021/07/la-nuee-la-nuee-umland-records-048.html
http://www.nitestylez.de/2021/07/heiner-rennebaum-doppelquartett-bebop.html
Rigobert Dittmann – point of regerence:
LA NUÉE, das ist in Brüssel ein Saxofonquintett, geleitet von Johannes Eimermacher, mit dreifach Alto- (er, Audrey Lauro & Frans Van Isacker), Bariton- (Hanne De Bakker) und Tenorsax (Sylvain Debaisieux) und in Bands wie Bambeen Grey, Franco Saint De Bakker, Gabbro und Pentadox erwiesener Tüchtigkeit. Der 30-jährige Münsteraner hat, neben Musiken für Theater und Tanztheater, in Drehkopf mit Klarinette gejazzt oder in Katjas Zorn mit Gitarre gerockt, bevor er mit seinem Saxofon zugleich die Führung in Cashmetal (mit Jakob Warmenbol von Robbing Millions an den Drums) und La Nuée übernahm. Ersteres lebt vom Kontrast einer aufgewühlt freakrockenden Rhythmsection mit Eimermachers Gewaltfreiheit predigendem Alto, steht aber als Jazzcoretrio in noch viel größerem Widerspruch zu La Nuées sublimem Dröhnminimalismus. Der steht dem von →Klaus Langs „Drei Almenden“ verblüffend nahe, auch ist La Nuée(Umland 48) mit ‚flottant‘, ‚L’éveil‘ und ‚le départ‘ ebenso dreigeteilt. Noch ruhiger fast und luftiger schwebt der Reedklang im Raum, in verhalten zirpenden und summenden Dauertönen, die in ihren drei Tonlagen zusammenklingen, ganz unforciert und zeitvergessen fokusiert auf das nuancierte Unisono. Statt einer Wall of Sound sind das Klangschleier, ja weniger noch, die pure Luft ist getönt, ganz sacht klangfarbgetönt in mikrotonaler Harmonik, surrend und sirrend als in sich bebende Luftsäulen, als durchscheinende, nur im Mittelteil auch angerautere Wellen. Das fast halbstündige ‚le départ‘ hebt an als bloßer Hauch und spuckiger Schaum, auch nach fünf Minuten noch pianopianissimo. In der neunten verrät João Lobo (der trommelnde Schatten des Pianisten Giovanni Di Domenico in MulaBanda, Oba Loba, Tetterapadequ…) seine bisher verborgene Präsenz, mit fragilem Tickeln, wuselnden Pfoten und zunehmend pochenden oder flickernden Schlägen. Zu aber weiterhin nur sanftem Surren, das sich nicht rocken lassen will, sondern in seiner Dröhnosphäre weiter träumt. Der perkussiven ‚Störung‘ geben die Reeds wirklich erst fünf Minuten vor dem Ende nach, aufquiekend unter dem donnergrollenden Andrang, der jedoch metalloid verdämmert, während der Bläserschwarm sich wieder in die Stille einrollt. [BA 111 rbd]
Das HEINER RENNEBAUM DOPPELQUARTETT bringt auf Bebop Bizarre (Umland 49) wieder den Zusammenklang eines Streicherquartetts – mit Julia Brüssel an der Violine, Viola und 2 Cellos – mit Rennebaums Gitarren, Jan Klare an Alto- & Sopranosax, Alex Morsey am Bass und Max Hilpert an Drums. Mir kann man dazu gern was von Akkord- & Slash-Chord-Zerlegungen, bitonalen Akkord-Attacken, Messiaen-Modus und polymetrischen Repetitionen erzählen, dann muss ich nichts erfinden, was es nicht halb so gut trifft. Wie sich herbstlich angerautes Streicherfeeling bei ‚November‘ beißt mit Hilperts hastigem D’n’B-Drive und Klares euphorischem Soprano, das haben Hilpert & Rennebaum gemeinsam erfunden. ‚Dido’s Lament‘ in seiner bitteren Streicher- & Altowehmut, das ist natürlich Henry Purcells Werk. Wie sich die Gitarre mit Silberzunge und bluesigem Slide der schmerzlichen Melodie annimmt, ist dagegen Rennebaums Beitrag, der Bass zupft pizzicato die Zeitebenen zusammen. ’20/20 Vision‘ setzt mit Cello die gefühlvolle Stimmung fort, akustische Gitarre und die übrigen Strings fühlen mit, Hilpert zerlegt das jedoch mit metronomischer und flickernder Lakonie. Mit vom Bass aufgewühlten Altowellen kommt ein aufgekratzterer Ton auf, den Klare auf die Spitze treibt. ‚Maximum‘ spielt danach, rhythmisch maximiert, Plinkplonk-Pingpong, mit Zahnradstakkato von Klare und wildem Bogengefecht zu rotierendem und knatterndem Trommelgewirbel. Aus Gitarre rückwärts und scharrenden Bogenstrichen schält sich ‚Kreisel‘ mit hymnischem und dynamischem Altosang zu Walking Bass und Dröhngitarre und macht sich locker mit twangendem Kontrabass zu flimmernder spanischer Gitarre und launigen Strings. Nach ebenso launigem Pizzicatointro stimmt Rennebaum mit Wah-Wah, verzerrt und ringmoduliert das Titelstück an, Bass und Drums halten Kurs, Klare gibt dem mit Flöte eine vogelige Hermeto-Pascoal-Note. Streicheleinheiten von Bratsche und Cello und ein akutisch plinkender Gitarrenloop verbreiten bei ‚Oder so‘ versonnene Wonne, die Klares Alto zu einem Minimal-Vamp der Strings tagträumerisch auskostet. Verweile doch, du bist soooo… [BA 111 rbd]