Baddest Alchemy
Wenn der Trompeter MARKUS TÜRK sein schlicht türk (Umland 46) getauftes Solo mit ‚Dorfpunk‘ bestückt, dann zwinkert er nicht nur Rocko Schamoni zu, der End-50er und, wie ich sehe, Steinbock wortspielt da zugleich mit seinen eigenen Bocksprüngen: Denen der Soul-Funk-Punkrock-Jahre mit Peter Hein & Xao Seffcheque in Family 5, von „Ball der Verwirrung“ (1983) bis „Ein richtiges Leben in Flaschen“ (2018). Denen beim mehr oder weniger Pop?, Folk?, Glamour? mit Salsa Picante, Jansen, Mouse On Mars, Marla Glen, Los Campesinos Furiosos… Und denen seiner jazzigen Kapriolen, von ambient mit Belgium / Byggesett Orchestra (mit Georg Sehrbrock) über Volxmusikkabarett mit Furiosef / Furiopolis (mit Manfred Heinen) bis Uff! mit The Dorf (mit Umland United). Ob Teilchen oder Welle gegen den Strom, wo ist da das Problem? Ein Problem gibt’s, wenn ‚Dunkle Zeiten‘ einen ‚You are my Sunshine‘ seufzen lassen. Und ‚The Saddest Thing in your Life‘ wär z. B., vom ‚Sinai‘ mit leeren Händen abzusteigen. Türk schöpft mit vollen Händen aus Erfahrungen auf den ‚Holzwegen ins Glück‘ zwischen Grefrath, Myanmar, Moers und Minsk. ‚Yuri Joaõ‘ erinnert melancholisch an eine trübe Curry-Phase, ‚M. Walking under Water‘ an M. Walking On The Waters „Dogma 13“. Deren Kopf Markus Maria Jansen, der selber mit ‚Virus (21 Strophen Deutschland)‘ vom chronischen Befall durch den ‚Herrenmenschenvirus‘ raunt, er ist hier in allem – Mix, Loops, Elektronik, Produktion, Design – Türks Freund & Helfer, während der mit Trumpet, Flugelhorn, Tenorhorn, Trombone, Tuba, Guitars, Bass, Vocals, Drums & Percussion seinen Lebenslauf orchestriert. Als Loopstationsvorsteher einer überdeutschen Blaskapelle, die rollend oder selbst hinkend noch Volksvermögen in Sicherheit bringt vor den Aasgeiern des Marktes und den Volksverdummern. Mit zirpender Trompetentristesse und transatlantischen Tönen, josé-hot oder swingend auf den Flügelhörnern eines Gesangs (ohne Worte), der aus der Seele spricht. Während falsche Propheten mit Didgeridoo & Berimbau Tänze um goldene Kälber anführen, kreuzt Türk mit Balkan-Humpagroove und Clownsgetröte, und hinter ihm leuchtet Diogenes mit der Laterne auf dem Mark herum. Alles versinkt vor Kummer in der Tuba, wenn Türk Trübsal bluest, als würde die Niers in den Mississippi münden. Doch dreht er gleich wieder so anarchisch und unbändig am Rad, dass sich dazu die Dorfpunks aller Länder vereinigen könnten. Ganz wunderbar erhebt sich die Trompete über den grummelig dahinstampfenden Tubas und kann doch nicht vergessen, dass der Weg aus der Vergangenheit von begrabenen Hunden und verlorenen Strümpfen gesäumt ist. Zuletzt schnorchelt Türk blubbernd nach dem Schatz der Nibelungen. Alberich grinst. Und ich kann endlich mal schreiben: Form follows Volksmund, follows Vogelflug. File under popular! Absolut. [BA 110 rbd]