Bandportrait V – Markus Türk
Türk oder wie ich einmal eine Soloplatte gemacht habe
Ausgangspunkt der Geschichte war wie so oft The Dorf, meine musische Ruhrheimat.
Wir waren im September 2020 eingeladen, mit der Band in Belgrad zu spielen, wo ich mit meinem Kumpel Tim Isfort bereits 2017 auf Einladung von Frank Baumann gespielt hatte, den ich bei Tim’s und meiner Konzertreise nach Minsk in Weißrussland kenngelernt hatte.
Frank hatte auch The Dorf eingeladen, aber die Reise musste wegen Corona abgesagt werden, was mich so traurig machte, dass ich dem unbedingt etwas entgegensetzen musste. Ich entschloss mich, in einer leerstehenden Drogerie am Grefrather Marktplatz, die meiner Tochter gehörte, drei Abende hintereinander Solokonzerte vor kleinem Publikum zu geben.
Erst nachdem ich das Info und die Einladungen geschrieben hatte, begann ich mir Gedanken über das Programm zu machen und schusterte mit einem Loop, einem Wassereimer und meinen gesammelten Instrumenten aus alten Kompositionen und freien Improvisationen einen Ablauf zusammen, zu dem Markus Maria Jansen Anlage , Licht und Kunst beisteuerte.
Es waren drei schöne, weinseelige Abende mit netten Menschen und alten Freunden, und einige fragten mich tatsächlich danach, ob es von dem Programm eine Aufnahme gäbe. Ich hatte das Projekt eigentlich als einmalige, auf drei Abende begrenzte Geschichte gedacht, aber dann ließ mich doch der Gedanke nicht mehr los, von dem Ding eine Platte zu machen, und ich fragte meinen alten Freund und Bandkumpel Markus Maria Jansen, ob er vielleicht Zeit und Lust hätte, in seinem „Dachapparat“ eine Soloplatte mit mir aufzunehmen und zu produzieren. Hatte er, und so packte ich irgendwann meine gesammelten Instrumente und Effektgeräte ins Auto, fuhr damit zum Lutherplatz nach Krefeld und schleppte das Zeug die vier Stockwerke hoch.
Ich hatte mir vorgestellt, die Stücke innerhalb von zwei bis drei Tagen einzuspielen und dann nochmal zwei Tage abzumischen, wie das bei Jazzplatten normalerweise so läuft, hatte aber die Rechnung ohne den Produzentenwirt gemacht. Schon bei der ersten Nummer fing er an, mich bestimmte Phrasen zwanzig mal hintereinander spielen zu lassen, bis er die perfekte Version hatte, aus der er dann Loops basteln konnte. Er schnitt die Stücke auseinander, setzte sie neu zusammen, liess mich singen, verfremdete die Stimme bis zur Unkenntlichkeit und machte unglaubliche Sachen mit meiner Musik. Insgesamt arbeiteten wir mehr als zwei Monate an der Platte, Markus Maria hat tatsächlich Nächte lang durchgemischt und gefummelt, bis wir ein Ergebnis hatten, das wir beide richtig geil fanden. Markus Maria machte dann auch noch das Artwork, und Peter Körfers hat die Aufnahme meisterlich gemastert.
Das Repertoire bestand zum Teil aus alten Stücken von mir, zum Teil habe ich sie extra für die Platte komponiert, und zum Teil sind sie im Studio relativ spontan entstanden.
Ein Rezensent, der mich schon seit meinen frühen Tagen kennt, schrieb sinngemäß, dass die Platte wie eine Reise zu den verschiedenen Stationen meines Lebens sei, von den frühen Blaskapellenzeiten, die sich mit der Begeisterung für balkaneske Hochzeitsbands mischt, über die Begeisterung für Don Cherry und Codona, die ich in den frühen 80ern im alten Domicil in Dortmund gesehen hatte, wonach ich stundenlang im Schneidersitz orientalische Skalen auf meiner Taschentrompete übte, über die wilden Hinterwälderpunkzeiten, wo ich die Kunst des Dreiakkordespielens auf der E-Gitarre kultivierte, zu dem Hardbop-Studium ín Arnheim, wo meine Mitmusiker vor Konzerten mein Didgeridoo versteckten, weil ihnen das zu esoterisch peinlich war, meine tiefen Eindrücke von den Reisen in ferne Länder, bis hin zu meiner großartigen Band „The Dorf“, die mir in den letzten 16 Jahren so viele unvergessliche und magische Momente beschert hat und mich mit meiner Aufnahme gnädig in den Familienschoß ihres Umland Records – Labels aufgenommen hat, worüber ich mehr als glücklich bin.
